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Montag, 3. Juli 2017

Im Wald, da sind die Räu-häu-ber!

Friedrich Fehérs schräge Räubersymphonie

THE ROBBER SYMPHONY (dt. RÄUBERSYMPHONIE (BRD) bzw. DIE RÄUBERSINFONIE (DDR))
Großbritannien 1936
Regie: Friedrich Fehér
Darsteller: Hans Fehér (Giannino), Magda Sonja (seine Mutter), George Graves (Großvater), Michael Martin Harvey (der Räuber mit dem Strohhut), Alexandre Rignault (Black Devil), Tela Tchaï (die Räuberin), Webster Booth (der singende Räuber), Jack Tracy und Al Marshall (die musizierenden Räuber), Jim Gérald (der Köhler), Vinette (die Wahrsagerin), Ivor Wilmot (Magistrat)

"Wir sind keine Banditen!"
"Was sind wir denn?"
"Räuber!"

Giannino, der Held der Geschichte
HAROLD HOLT presents the FIRST "COMPOSED" FILM - so verkündet es stolz gleich das erste Titelblatt der Credits von THE ROBBER SYMPHONY. Gemeint ist damit, dass zuerst die (von Friedrich Fehér selbst geschriebene) Musik entstand und dann der Film nach der Musik gedreht und geschnitten wurde. Ob THE ROBBER SYMPHONY tatsächlich der erste Film nach diesem Prinzip war, sei mal dahingestellt (ich habe leise Zweifel daran), aber er ist jedenfalls so konstruiert. Wie um das gleich nochmal zu verdeutlichen, beginnt nach der zweiminütigen Titelsequenz nicht gleich die Handlung, sondern es folgt erst noch eine fünfeinhalbminütige Ouvertüre mit einem Symphonieorchester in einem Konzertsaal (nämlich Queen's Hall in London), dirigiert von Fehér selbst (man sieht ihn dabei allerdings nur von hinten), aber ohne sichtbares Publikum (und in den letzten zehn Sekunden des Films ist als abschließende Klammer nochmals das Orchester zu sehen und zu hören). Schon hier stellt sich eine merkwürdige Stimmung ein, weil das Orchester (einschließlich des Dirigenten) sonderbar aussehende Hüte trägt.

Ouvertüre mit merkwürdigen Hüten
Dann geht es nun endlich richtig los - Überblendung vom Orchester zu einer mediterranen Küstenlandschaft irgendwo in Südfrankreich (gedreht wurden die Außenaufnahmen des ersten Filmteils bei Nizza). Aufgrund der teils märchenartigen bis leicht surrealen Handlung, die nun folgen wird, ist die Zeit nicht genau bestimmt. Die Uniformen der Gendarmen, die meisten Kleider und das Walzenklavier, das im Film eine zentrale Rolle spielt, deuten ins 19. Jahrhundert, während die auf die Räuber ausgesetzte Belohnung von 1000 Louis d'or auf spätestens das 18. Jahrhundert verweist (und der Tatsache, dass mindestens einmal Strommasten und -leitungen zu sehen sind, sollte man in dieser Hinsicht überhaupt keine Bedeutung beimessen). Einigen wir uns also darauf, dass der Film "vor mehr als hundert Jahren" (von 1936 aus gerechnet) spielt.

Hier beginnt die Geschichte
Wir befinden uns nun in einer kleinen Stadt, und ein Steckbrief (mit den besagten 1000 Louis d'or als ausgesetzter Belohnung) klärt uns darüber auf, dass die berüchtigte Räuberbande von Alfred Galotti, besser bekannt als The Black Devil, seit einiger Zeit die Gegend unsicher macht. Was die braven Bürger nicht ahnen: Die Räuber sind mitten unter ihnen! Denn der Wirt eines Gasthauses in der Stadt ist kein anderer als der "Schwarze Teufel", seine Kellnerin ist das einzige weibliche Bandenmitglied, und ein unscheinbarer älterer Herr mit Strohhut, scheinbar nur ein harmloser Gast des Wirtshauses, gehört auch zu den Räubern. Komplettiert wird die Bande von zwei Oboe bzw. Fagott spielenden Musikern und einem öligen Tenor. Ein riesiges leeres Weinfass, auf einer Pferdekutsche montiert, dient den Räubern als fahrende Einsatzzentrale.

Mutter und Großvater, Esel und Hund
Gleich in der Nähe des Gasthauses logiert eine Familie von fahrenden Straßensängern aus Italien, bestehend aus dem ca. 14-jährigen Giannino, seiner Mutter und seinem Großvater. Die beiden Erwachsenen unterhalten die Gäste des Wirtshauses mit ihren Liedern, während Giannino mit einer Kurbel das Walzenklavier bedient, das auf einem fahrbaren Untersatz montiert ist, der von einem Esel gezogen wird. Mit von der Partie ist auch ein schwarzer Hund, der auf Gianninos Kommando hin zahlungsunwilligen Gästen der Gesangsdarbietungen ans Bein pinkelt. Außer das Klavier zu bedienen und dem Hund fragwürdige Kunststücke beizubringen, beherrscht Giannino auch die Kunst, mit einem kleinen Blasrohr Kügelchen sehr zielgenau zu verschießen. Für die Dauer ihres Aufenthalts wohnen die fahrenden Künstler im Erdgeschoss (mit angrenzendem Stall) eines Hauses, dessen obere Stockwerke von der Besitzerin, einer zänkischen Wahrsagerin, bewohnt werden. Die Dame ist mit ihrer zweifelhaften Profession zu Reichtum gelangt - mehr als 12.000 Golddukaten, die sie in einem Sparstrumpf sicher verwahrt (wie sie meint).

Räuber: Der Wirt, die Kellnerin, der Tenor und der mit dem Strohhut
Doch genau diese Dukaten sind das nächste Ziel der Räuber. Giannino wird dabei zum unfreiwilligen Helfer: Nachdem seine Mutter einen heftigen Streit mit der Wahrsagerin hatte, flüstert die Kellnerin ihm ein, in der nächsten Nacht die Stalltür nicht zu verschließen, weil sie der Wahrsagerin einen Streich spielen wolle. In Wirklichkeit nützt der Räuber mit dem Strohhut den Zugang ins Haus, um den Sparstrumpf zu entwenden. Doch der Abtransport der Beute misslingt, weil Giannino durch eine achtlos weggeworfene Zigarette einen Brand auslöst. In dem Tohuwabohu weiß sich der Räuber nicht anders zu helfen, als die Beute ausgerechnet im Walzenklavier zu verstecken. Ein erster Versuch zur nächtlichen Bergung der Beute in einem heftigen Sturm scheitert kläglich, und so muss ein raffinierter Plan her - der strikt ohne Blutvergießen auskommen muss, weil Black Devil nicht eines Tages am Galgen baumeln will.

Oben der Rest der Bande
Der Plan besteht nun darin, dass der Tenor Gianninos Mutter mit einer Belcanto-Arie anschmachten und dabei betrunken machen soll, während die Kellnerin den Großvater zu einem wilden Tanz zu südländischen Rhythmen verführt. Dieser Tanz gerät zu einer ziemlich unglaublichen und sehr komischen Szene. Die beiden musizierenden Räuber, der Räuber mit dem Strohhut, vor allem aber der wie unter Strom stehende Großvater geraten dabei in wilde, geradezu frenetische Zuckungen. Am Ende sinkt er völlig ermattet ins Stroh des Stalls und verfällt in einen Dornröschenschlaf, während Gianninos Mutter weinselig und beduselt vor sich hin dämmert. Doch der schöne Plan der Räuber war nicht ganz perfekt, denn sie hatten Giannino nicht auf der Rechnung. Der schläft jetzt nämlich ausgerechnet auf dem Klavier, und so wird er kurzerhand mit abtransportiert. Durch die Schusseligkeit der Räuber und die Wachsamkeit des Hundes endet diese Szene damit, dass der immer noch schlafende Giannino, das Klavier, der Esel und der Hund in einem Ruderboot auf dem Mittelmeer treiben, während die konsternierten Räuber an Land das Nachsehen haben.

Die Wahrsagerin in ihrem Kabinett
Unterdessen wurde Gianninos Mutter verhaftet, weil man sie verdächtigt, zur Räuberbande zu gehören. Die ob des finanziellen Verlusts hysterisch kreischende Wahrsagerin geht dem Magistrat, der die Untersuchung führt, gehörig auf die Nerven, doch sie bringt nicht ganz zu Unrecht vor, dass der Dieb durch den Stall gekommen sein muss. Weil die Mutter nichts von Gianninos unwissentlicher Beihilfe weiß, kann sie nichts zu ihrer Verteidigung aussagen. - Als Giannino am nächsten Morgen erwacht, kann er problemlos ans Ufer rudern, wird dort aber auch gleich festgenommen, zu einer Polizeiwache in den Bergen gebracht und nach dem Verbleib der Beute befragt. Natürlich weiß er nichts darüber, und so wird er erst mal eingekerkert, kann sich aber durch einen Kunstschuss mit seinem Blasrohr befreien. Mit dem Klavier, Esel und Hund macht er sich nun auf die Suche nach seiner Mutter, ohne konkret zu wissen, wo er eigentlich hin muss - verfolgt von den Räubern in ihrem riesigen fahrenden Fass.


Giannino kommt in ein kleines Bergstädtchen, wo zu seiner Verblüffung vier weitere von Eseln gezogene fahrbare Walzenklaviere auftauchen. Es handelt sich um einen weiteren Plan der nun als Artisten und Clowns verkleideten Räuber: Während der mit dem Strohhut, mit einer Pappnase getarnt, eine öffentliche Vorstellung als Seiltänzer gibt, soll Giannino im allgemeinen Trubel eines der falschen Klaviere untergejubelt und das mit der Beute abspenstig gemacht werden. Doch auch dieser reichlich absurde Plan scheitert kläglich, und es kommt für die Räuber noch schlimmer: Als Giannino dem Mann mit dem Strohhut mit seinem Blasrohr die Pappnase wegschießt, wird dieser von einem Polizisten erkannt und verhaftet. Unterdessen begeht die Wahrsagerin einen fatalen Fehler: In ihrer Hysterie schreit sie, dass jeder, der ihr auch nur einen ihrer Dukaten zurückbringt, den Rest als Belohnung behalten darf. Der Magistrat befiehlt geistesgegenwärtig, diese Aussage schriftlich festzuhalten.

Ein Brand bringt einen Räuber in Nöte
Auf seiner mehr oder weniger ziellosen Fahrt kommt Giannino immer höher ins Gebirge, immer noch von der (um einen Mann dezimierten) Bande verfolgt, und er erfriert fast, wird aber von einem Köhler gerettet, der da oben als Eremit haust. Und die Räuber bleiben weiterhin glücklos: Black Devil, der Giannino in einer öden Schnee- und Eiswüste zuletzt zu Fuß verfolgt hat, bleibt in einem Schneeloch wie in Treibsand stecken, während die anderen in ihrem zugefrorenen Fass eingeschlossen sind. Um es kurz zu machen: Giannino und der Köhler erkennen den Wirt anhand der Beschreibung aus dem Steckbrief als Räuberhauptmann, bringen ihn und seine Komplizen in die Stadt zum Magistrat, und beweisen so die eigene Unschuld. Und Giannino kassiert nicht nur die 1000 Louis d'or, sondern auch das Vermögen der Wahrsagerin (abzüglich eines Dukaten). Und damit ist diese merkwürdige Geschichte zu Ende. Nein, noch nicht ganz. Der Großvater, der ungefähr eineinhalb Stunden des Films verschlafen hat, erwacht im Stroh, räkelt sich und mischt sich unters Volk, als sei nichts gewesen. Nun ja, für ihn ist auch nichts gewesen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ...

Der Tenor macht sich an die Mutter ran, während Opa in Zuckungen gerät
Weite Strecken von THE ROBBER SYMPHONY, vor allem Gianninos Odyssee mit Klavier, Esel und Hund, folgen mehr einer Traumlogik als einem rationalen Bauplan. Der mit über 140 Minuten nicht gerade kurze Film ist dabei durchweg unterhaltsam. Vieles trägt dabei zur absurden Verfremdung der Handlung bei. Immer wieder gibt es skurrile, absonderliche Handlungseinfälle. Das Drehbuch schrieben Friedrich Fehér und sein englischer Coproduzent Jack Trendall nach einer Vorlage von dem österreichischen Journalisten und Schriftsteller Anton Kuh. Gelegentlich gibt es Slapstick-Elemente, manchmal auch mit Zeitraffer oder rückwärts laufendem Film, Zeitlupe kommt aber auch ein- oder zweimal zum Einsatz. Als Giannino fast erfriert, sieht er sich selbst in einer Halluzination als Seiltänzer, was zu einer schönen Montagesequenz mit stark verdrehten Kamerawinkeln gerät. Im Soundtrack gibt es längere dialoglose Passagen, in denen (gemäß dem in den Credits angekündigten Grundkonzept) die Musik dominiert und den Filmrhythmus vorgibt. Es gibt aber auch einige extravagante Soundeffekte. Als sich etwa ein Insekt auf der Pappnase des seiltanzenden Räubers niederlässt, ist dessen Summen in stark übertriebener Lautstärke zu hören. Und mehrfach gibt es Geräusche mit starken Halleffekten.

Der Abtransport der Beute scheitert zum wiederholten Mal
Insgesamt zeigt THE ROBBER SYMPHONY eine mild surreale Grundstimmung. Im visuellen Bereich weist er aber auch Einflüsse des Expressionismus auf, vor allem bei Szenen, die nachts spielen. Hierfür konnte Friedrich Fehér auf die Mithilfe dreier bewährter Fachkräfte des Stummfilms und frühen Tonfilms der Weimarer Republik zurückgreifen. CALIGARI-Regisseur Robert Wiene, unter dem Fehér von 1916 bis 1925 viermal als Schauspieler gearbeitet hatte, und der nun wie Fehér im englischen Exil war, fungierte als Produktionsleiter. Eugen Schüfftan, der mit seinen Kameratricks schon METROPOLIS veredelt hatte, war Kameramann. Und der aus Ungarn stammende Filmarchitekt und Kostümbildner (und gelegentliche Regisseur) Ernö Metzner, der etwa schon mehrfach für Lubitsch und Pabst gearbeitet hatte, war auch hier für die Bauten zuständig. Etliche der von Metzner für THE ROBBER SYMPHONY entworfenen Gebäude zeigen einen leicht expressionistischen Touch. Es handelt sich um keine scharfkantigen, spitzwinkligen, flächig-gemalten Kulissen wie bei CALIGARI, sondern mehr um organisch-runde Formen, wie sie etwa schon Hans Poelzig für DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM kreiert hatte.

Ungewollter Ausflug zur See
THE ROBBER SYMPHONY zeigt somit deutliche Einflüsse des Weimarer Films. Gelegentlich denkt man an einzelne Filme von Pabsts DREIGROSCHENOPER bis zu EMIL UND DIE DETEKTIVE, aber auch an THE DEVIL'S BROTHER (FRA DIAVOLO) mit Stan Laurel und Oliver Hardy (nur eben ohne Laurel & Hardy). Apropos: Die beiden von Jack Tracy und Al Marshall gespielten musizierenden Räuber sind (allerdings nur in diesem Film) auch so etwas wie ein Komikerpaar. Zwar haben sie nichts mit Stan & Ollie zu tun, aber in ihrem Habitus und ihrem lakonischen Zusammenspiel haben sie mich etwas an Pat & Patachon erinnert. - Trotz aller Einflüsse lässt sich festhalten: Mit seinen vielen skurrilen und absurden Einfällen ist THE ROBBER SYMPHONY ein ganz eigenständiger und fast singulärer Film.

Die Wahrsagerin macht sich bei den Behörden unbeliebt, während die Mutter im Gefängnis sitzt

Friedrich Fehér: Von Caligari zu (der Flucht vor) Hitler


Wer spielte 1919 die Hauptrollen in DAS CABINET DES DR. CALIGARI? Werner Krauß, Conrad Veidt, Lil Dagover - viele Cineasten können die Namen nennen, ohne nachsehen zu müssen. Aber wer war gleich nochmal Franzis, der Erzähler der bizarren Geschichte? Genau: Es war der österreichische Schauspieler, Regisseur, Komponist und Dirigent Friedrich Fehér. Da war er schon seit einigen Jahren gut im Geschäft. Geboren wurde der aus einer jüdischen Familie stammende Fehér (oft auch Feher geschrieben) 1889 als Friedrich Weiß in Wien. Laut Geburtsregister der Jüdischen Kultusgemeinde in Wien war sein Vater ein "Börsebesucher" (also wohl ein Spekulant oder Börsenmakler) aus Budrea, vermutlich in Rumänien (eine Wiener Archivarin meinte in REQUIEM VOOR EEN FILM (siehe unten), dass es sich dabei um Budapest handelt, aber ich glaube, da täuschte sie sich). Seinen Künstlernamen entlehnte er dem Ungarischen - "fehér" bedeutet "weiß". Ob er selbst Ungarisch sprach, weiß ich nicht.

Die mobile Kommandozentrale der Räuber
Nachdem er das Wiener Konservatorium absolviert hatte, wurde Fehér Theaterschauspieler an deutschen und österreichischen Bühnen, dann auch Theaterregisseur, und ab 1911 als Schauspieler bzw. seit 1913 als Regisseur war er beim Film, wobei er ebenfalls zwischen Deutschland und Österreich pendelte. Zeitweise hatte er eine eigene Produktionsgesellschaft, und Mitte der 20er Jahre leitete er ein Theater in Wien. Fehérs bekannteste und wichtigste Rolle als Filmschauspieler war zweifellos die in CALIGARI. Bei vielen seiner Filme als Regisseur spielte Fehérs Frau, die tschechisch-österreichische Schauspielerin und Sängerin Magda Sonja, die weibliche Hauptrolle. Magda Sonja, 1886 als Venceslava Vesely im tschechischen Hradisko geboren, war einer der größten weiblichen Stummfilmstars in Österreich. Ihre bekanntesten Stummfilme waren vielleicht MATA HARI und der zweiteilige MARIA STUART, beide 1927 von Fehér inszeniert. 1922 wurde Hans Fehér als einziges Kind des Paars in Wien geboren. In IHR JUNGE (1931) und GEHETZTE MENSCHEN (1932), Fehérs einzigen deutschsprachigen Tonfilmen (wobei es von beiden auch eine tschechische Sprachfassung gibt), spielte Hans Fehér erstmals neben seiner Mutter und unter der Regie seines Vaters. Bei der deutschen Version von IHR JUNGE spielte auch Friedrich Fehér selbst mit, sowie Szöke Szakáll, der später als S.Z. Sakall ein vielbeschäftiger Nebendarsteller in Hollywood war.

In einem Bergstädtchen ...
1933 emigrierte die jüdische Familie über die Tschechoslowakei nach England. Hier wurde THE ROBBER SYMPHONY Fehérs einziger und insgesamt sein letzter Spielfilm, und er legte alles hinein, was er hatte. Er gründete zur Produktion die Concordia Films Ltd., Fehér war also (zusammen mit dem erwähnten Jack Trendall) auch Produzent des Films, der mit ca. 80.000 £ für einen britischen Film dieser Jahre nicht gerade billig war - neben den Studioaufnahmen in England und den Außenaufnahmen in Südfrankreich wurde auch in Österreich und am Montblanc-Massiv gedreht. Bei den Darstellern griff Fehér auf eine Mischung englischer und französischer Akteure zurück. Die in der IMDb genannte Françoise Rosay spielt allerdings nur in der parallel gedrehten französischen Sprachfassung LA SYMPHONIE DES BRIGANDS - sie ersetzt hier anscheinend Vinette als die Wahrsagerin. Über die sonstigen Darsteller in dieser französischen Version weiß ich nichts - man findet so gut wie keine Informationen über diese Fassung (LA SYMPHONIE DES BRIGANDS wird heute auch als franz. Titel der engl. Fassung verwendet, deshalb kursieren diesbezüglich irreführende Informationen). Möglicherweise ist die franz. Fassung verschollen, aber sicher bin ich da auch nicht.

... kommt es zur wundersamen Esels- und Klaviervermehrung
Um noch einmal auf die Darsteller zurückzukommen: Tela Tchaï, die eigentlich Martha Winterstein hieß, wurde zwar in Roubaix geboren, und sie wird in der franz. Wikipedia als Französin (mit Sinti/Roma-Wurzeln) bezeichnet, aber sie hatte offenbar auch deutsche Wurzeln. Darauf deutet nicht nur ihr richtiger Name hin, sondern auch die Tatsache, dass sie in REQUIEM VOOR EEN FILM abwechselnd deutsch und französisch (aber mehr deutsch) antwortet. Tela Tchaï spielte 1932 in DIE HERRIN VON ATLANTIS (einschließlich der engl. und der franz. Parallelversion) von G.W. Pabst, wo Eugen Schüfftan hinter der Kamera stand, und der hatte sie dann Fehér für die Rolle der Räuberin mit dem leicht exotischen Aussehen empfohlen. Im Interview erzählte sie, dass sie ihn damals "Schüffi" nannte. Ihren letzten Film drehte Tela Tchaï 1945, später widmete sie sich der Malerei.

Das Ende einer Räuberlaufbahn
Für die Aufnahme der von ihm geschriebenen Musik sowie die Filmaufnahme der Ouvertüre engagierte Fehér das renommierte London Symphony Orchestra. In den Credits wird es "Concordia Symphony Orchestra" genannt, aber das ist ein Fantasiename - die von Fehér gegründete Firma betrieb natürlich nicht gleich ein eigenes Symphonieorchester. Weil für die Filmaufnahme der Ouvertüre in den Shepperton-Studios nicht genug Platz für das große Orchester war, wurde mit der Queen's Hall (die im Zweiten Weltkrieg durch eine Bombe zerstört wurde) ein echter Konzertsaal herangezogen. Fehér ist wie erwähnt als Dirigent (von hinten) zu sehen, aber bei den Tonaufnahmen der Musik (die separat von den Filmaufnahmen an einem anderen Ort stattfanden) dirigierte er nicht selbst, oder zumindest nicht alles. Vielmehr griff er dazu auf die Mithilfe des jüdischen Komponisten und Dirigenten Alfred Tokayer zurück. Tokayer wurde 1900 in Köthen in Sachsen-Anhalt geboren. Er wirkte als Orchesterleiter in Bremen und Berlin. Ab 1935 war er in Frankreich im Exil, und 1936 reiste er nach London, um für Fehér zu arbeiten. Danach wieder in Frankreich, wurde er dort 1943 verhaftet und nach Sobibor deportiert, wo er noch im selben Jahr starb.

Immer höher ins Gebirge
Leider war die teure ROBBER SYMPHONY ein ziemlicher Misserfolg, und die Concordia Films Ltd. ging pleite. Fehér reiste schon 1936 in die USA, um den Film dort zu vermarkten und doch noch zu einem Erfolg zu machen, aber auch damit hatte er kein Glück. Er blieb dann gleich in den USA, und Magda Sonja und Hans kamen wenig später nach. Die Familie ließ sich im Raum Los Angeles nieder. Die von Fehér wohl erhoffte Hollywood-Karriere blieb aber leider aus. Er inszenierte mehrere kurze Konzertfilme mit Symphonieorchestern, wobei er teilweise auch dirigierte, aber keinen Spielfilm mehr. Zwar gab es einen Anlauf dazu - für MGM hätte er einen Film über den "Butzemann" (bogeyman) inszenieren sollen, aber das verlief wegen Problemen mit den Rechten letztlich im Sand. Zum letzten Mal als Schauspieler sah man Fehér 1943 in einer Nebenrolle in JIVE JUNCTION seines österreichischen Landsmannes im Exil Edgar G. Ulmer. Für Magda Sonja war schon THE ROBBER SYMPHONY ihr letzter Film. 1950 reiste Fehér nach Deutschland, wo er einen Film vorbereiten wollte. Ich weiß nicht, ob das schon konkrete Formen angenommen hatte oder mehr Wunschdenken war. Es spielte keine Rolle mehr, denn im September 1950 erlitt er in Stuttgart einen Herzanfall und starb kurz darauf. Magda Sonja verschwand nach dem Tod ihres Mannes komplett in der Obskurität. In REQUIEM VOOR EEN FILM wurde ihr Verbleib 1989 als völlig unbekannt bezeichnet. Immerhin weiß man heute, dass sie 1974 in Los Angeles starb.

Ein Köhler rettet Giannino vor dem Erfrieren
Hans Fehér hatte schon in THE ROBBER SYMPHONY (und vielleicht auch in seinen vorherigen beiden Filmen) mit wenig Begeisterung für die Filmerei mitgespielt (was seiner Leistung aber nicht abträglich war - er spielte wirklich gut). Jetzt, in den USA, hatte er überhaupt keine Lust, als Kinderstar weiterzumachen, und auch als Erwachsener wollte er nicht Schauspieler werden. Stattdessen wurde Hans, oder Jack Anthony Feher, wie er dann in den USA hieß, Croupier in Las Vegas - sehr zum Verdruss seines Vaters, der ihn in einem künstlerischen Beruf sehen wollte. Aber ihm hat diese Tätigkeit Spaß gemacht, wie sich seine (angeheiratete) Tante in REQUIEM VOOR EEN FILM erinnerte. Am Zweiten Weltkrieg nahm er als Unteroffizier der US Army teil. Später war er auch Manager eines Varietés, wohl ebenfalls in Las Vegas, und in seinem Totenschein ist als Beruf writer verzeichnet - ich weiß aber nicht, was er geschrieben hat. Jack Anthony Feher starb schon 1958 mit nur 35 Jahren an einer chronischen Erkrankung der Leber - laut REQUIEM VOOR EEN FILM war er Alkoholiker.

Die Räuber sitzen in der Falle
Erstmals 1940 lief THE ROBBER SYMPHONY in den Niederlanden, und das war anscheinend einer der wenigen Orte, wo er Erfolg hatte. Der holländische Autor K. Schippers sah den Film als Kind und liebte ihn sehr. In dem 1989 erschienenen 98-minütigen Dokumentarfilm REQUIEM VOOR EEN FILM begibt sich Schippers auf Spurensuche nach den Entstehungsumständen des Films und den Lebensläufen der Fehérs. Schippers recherchiert in Wien, London, Los Angeles und anderswo, und es werden u.a. der Fagottist Cecil James vom London Symphony Orchestra (der in THE ROBBER SYMPHONY zwar nicht zu sehen, aber zu hören ist), Tela Tchaï, die besagte Tante von Hans Fehér und weitere Zeitzeugen interviewt. Leider ist der Kommentar des Films nur auf Holländisch ohne Untertitel, aber etliche der Interviews sind zumindest auf Seiten der Antwortenden auf Englisch oder Deutsch, so dass sich auch ohne holländische Sprachkenntnisse (wie bei mir) ein Mehrwert ergibt.

Semi-expressionistisches Flair
THE ROBBER SYMPHONY wurde schon bald nach seiner Entstehung gekürzt und (ohne Erfolg) erneut herausgebracht. 2005 hat das Niederländische Filmmuseum (heute EYE Film Instituut Nederland) den Film mit Material aus Amsterdam und London restauriert und auf seine ursprüngliche Länge von 144 Minuten gebracht. Diese Version ist zusammen mit REQUIEM VOOR EEN FILM als Bonusfilm auf einer holländischen DVD erschienen.


Friedrich Fehér in DAS CABINET DES DR. CALIGARI

Dienstag, 6. Juni 2017

Jekyll und Hyde in Paris

LE TESTAMENT DU DOCTEUR CORDELIER (DAS TESTAMENT DES DR. CORDELIER)
Frankreich 1959/61
Regie: Jean Renoir
Darsteller: Jean-Louis Barrault (Dr. Cordelier / Opale), Teddy Bilis (Maître Joly), Michel Vitold (Dr. Séverin), Jean Topart (Désiré), Gaston Modot (Gärtner), Micheline Gary (Marguerite), Jacques Dannoville (Kommissar), Jean Renoir (Jean Renoir)

Dr. Cordelier und sein alter ego
Eine Limousine hält vor einem Pariser Fernsehstudio, und ihr entsteigt ein gutgelaunter korpulenter älterer Herr in Mantel, Schal und Hut: Es ist Jean Renoir, der Regisseur des Films, den wir gerade sehen. Er wird im Studio einer Ausstrahlung eben jenes DAS TESTAMENT DES DR. CORDELIER beiwohnen und den Film für die Fernsehzuschauer kommentieren. Schon nach wenigen Worten wechseln die Bilder vom Studio zum eigentlichen Film, und nach einigen Sätzen verstummt Renoir, und die Handlung übernimmt das Regiment. Erst am Schluss werden wir Renoir noch einmal für einige Sekunden hören (ohne dass die Bilder ins Studio zurückkehren). Diese kurze Rahmenhandlung fungiert nicht als Verfremdung im Brecht'schen Sinn, die eine gewollte Distanz zwischen dem Publikum und dem Dargebotenen aufbaut. Eher im Gegenteil etabliert sie schnell die passende Stimmung, die den Zuschauer mühelos in die Handlung hineinschlüpfen lässt - ähnlich wie der Prolog von BOUDU SAUVÉ DES EAUX, der den Film als ein modernes Satyrspiel ankündigt. Zugleich trägt die Rahmenhandlung auch der Tatsache Rechnung, dass Renoir DAS TESTAMENT DES DR. CORDELIER tatsächlich für das französische Fernsehen gedreht hat - ein Novum in seinem Schaffen, das auch Auswirkungen auf die Herstellungsweise des Films hatte. Mehr darüber weiter unten.

Jean Renoir im Fernsehstudio
Wie Renoir anfangs in seinem Kommentar referiert, lässt sich bei einer Geschichte oft nicht genau sagen, wann und womit sie eigentlich beginnt, weil die Protagonisten die Bedeutung gewisser Ereignisse erst viel später erfassen. Vielleicht beginnt diese Geschichte damit, dass der renommierte Pariser Arzt und Psychiater Dr. Cordelier bei seinem Freund, dem Rechtsanwalt Joly, ein Testament hinterlegt. Cordelier bewohnt mit einigen Hausangestellten eine sehr geräumige Villa in einem Pariser Vorort, mit einem von einer Mauer umgebenen Park. In einem separaten Schuppen auf dem Grundstück befindet sich das Labor für die Experimente des Doktors, der seit einiger Zeit die Behandlung von Patienten aufgegeben hat. Nun hat er also sein Testament hinterlegt, und Maître Joly wundert sich: Ein ihm völlig unbekannter Monsieur Opale ist als Alleinerbe des vermögenden Doktors bestimmt.

Maître Joly (links) und Dr. Séverin
Gleich darauf geschieht Unerhörtes: Ein kleines Mädchen, das abends allein auf der Straße unterwegs ist, wird von einem in der Gegend fremden Mann angegriffen und misshandelt. Joly, der den Überfall von seinem Fenster aus beobachtet, kann den Angreifer in die Flucht schlagen, nicht ohne einige schmerzhafte Hiebe mit dessen Spazierstock einzustecken. Mysteriöserweise entschlüpft der Unhold durch eine Tür in der Mauer zu Dr. Cordeliers Grundstück, zu der er den Schlüssel besitzt. Joly will Cordelier vor dem Fremden warnen, der sich ja nun auf seinem Grundstück befindet, doch der Doktor ist nicht anwesend, und von dessen Hausdiener Désiré erfährt Joly zu seinem Entsetzen, dass es sich bei dem Mann um jenen Monsieur Opale handelt, dass er sich schon einige Zeit in dem Anwesen aufhält, und dass Dr. Cordelier strikte Anweisung gegeben hat, diesen unheimlichen Zeitgenossen nicht zu belästigen.

Joly erfährt von Désiré Befremdliches über den Unhold Opale
Von Joly wenig später zur Rede gestellt, gibt Cordelier nur vage und beschwichtigende Antworten. Er verspricht, dass es keine Vorfälle wie den mit dem Mädchen mehr geben wird, doch das Gegenteil tritt ein: Die Übergriffe häufen sich, und eines Abends wird ein honoriger älterer Herr von Opale sogar zu Tode geprügelt und getreten. Der ratlose und besorgte Joly hat mittlerweile Cordeliers Kollegen Dr. Séverin aufgesucht. Der überarbeitete und cholerische Nervenarzt Séverin war früher mal mit Cordelier befreundet, doch längst sind sie verfeindet. Für Séverin, einen Mann der materialistischen Wissenschaft, sind Cordeliers Ansichten über die "Seele" und seine Experimente (über die er nur vage Informationen besitzt) ein Gräuel. So bekommt Joly von Séverin nur Schimpftiraden über Cordelier zu hören, aber keinen brauchbaren Rat, wie er sich verhalten soll. Der Gegensatz von Cordelier und Séverin äußert sich auch im Dekor ihrer Inneneinrichtung - hier das modernistische, schon in die 60er Jahre vorausweisende Interieur von Séverins Praxis, dort die großbürgerliche Ausstattung von Cordeliers Villa. Im Grunde ist Cordelier noch ein Mann des 19. Jahrhunderts.

Ein Spazierstock als wichtiges Utensil
Als Joly von dem Mord erfährt, bricht er seine anwaltliche Schweigepflicht und erzählt der Polizei, was er von Cordelier und aus dem Testament über Opale weiß. Opale hat ein Zimmer in einer billigen Absteige, wo er eine der dort ebenfalls ansässigen Bordsteinschwalben regelmäßig schwer misshandelt hat. Doch er wird von der Polizei nicht angetroffen und bleibt auch sonst unauffindbar, bis er am hellichten Tag mitten in Paris in Séverins Praxis in einem Hochhaus aufkreuzt. Séverin erwartet eigentlich Cordelier, der sich dort zu einer Demonstration seiner Experimente angesagt hat, doch er lässt Opale herein. Als aber die von Joly verständigte Polizei eintrifft, öffnet Cordelier die Tür, und Séverin liegt sterbend am Boden. Von Opale dagegen keine Spur ...

Opale prügelt einen Passanten tot ...
Einige Zeit nach Séverins Beerdigung gibt Cordelier eine steife Abendgesellschaft für allerlei Honoratioren, und die unerquicklichen Ereignisse der letzten Zeit scheinen fast vergessen. Doch in der Nacht erwachen die Hausangestellten durch schreckliche Schreie aus dem Labor, die offenbar von Cordelier stammen. Désiré und der herbeitelefonierte Joly verschaffen sich Zutritt zum Schuppen, doch statt Cordelier treffen sie Opale an. Nach einigem Tumult überredet dieser Joly, die anderen wegzuschicken, weil er ihm - und nur ihm - ein Geständnis machen will, aus dem er alles erfahren werde. Aus einem Tonband mit Cordeliers Stimme und aus Opales eigener Erzählung erfährt nun Joly (und mit ihm das Publikum), was jeder, der schon einen der anderen Jekyll & Hyde-Filme gesehen hat, längst weiß: Dass Dr. Cordelier und Opale ein und derselbe sind.

... und ergreift die Flucht; in seiner Absteige wird er nicht angetroffen
In dieser durch Rückblenden angereicherten sehr langen (vielleicht etwas zu langen) finalen Sequenz lernt man die Vorgeschichte des Dramas kennen: Der vordergründig äußerst rechtschaffene Cordelier hat schon immer - und letztlich erfolglos - gegen seine dunklen Triebe angekämpft. Einmal verging er sich sogar an einer betäubten Patientin (die ihm freilich vorher eindeutige Avancen gemacht hatte). Um seine dunkle Seite zu erforschen und in den Griff zu bekommen, hat er schließlich seine Praxis aufgegeben und stattdessen die Experimente mit jenem Elixier begonnen, das ihn schließlich in Opale verwandelte. Wie man es aus der Geschichte kennt, hat eines Tages die Verwandlung in Opale von selbst, gegen seinen Willen stattgefunden, während die nötigen Dosen des Gegenelixiers für die Rückverwandlung immer höher wurden. Und nun, in dieser Nacht mit Joly im Labor, weiß der Rest von Wissenschaftler, der noch in Opale steckt, dass die nötige Dosis tödlich wäre. Und er stellt seinen Freund Joly vor die Entscheidung: Soll er als Cordelier sterben oder als Monster weiterleben? Doch eigentlich hat er selbst schon die Entscheidung getroffen ...

Ein leichtes Opfer für Opale
Der 1959 gedrehte LE TESTAMENT DU DOCTEUR CORDELIER wurde in Frankreich erst im November 1961 im Fernsehen ausgestrahlt, in Schweden dagegen schon im Juli 1960 - das scheint die Premiere vor einem größeren Publikum gewesen zu sein. Allerdings war der Film auch schon im August 1959 beim Filmfestival in Venedig zu sehen. In Deutschland kam er 1961 nicht im Fernsehen, sondern ins Kino. Der Film war für ein französisches TV-Drama dieser Jahre recht teuer, im Vergleich zu zeitgenössischen Kinofilmen (auch solchen von Renoir) dagegen recht billig. Renoir selbst war Coproduzent - etwas, das er seit den schlechten Erfahrungen mit LA RÈGLE DU JEU vermieden hatte. Die Arbeit ging flott vonstatten: Nach zwei Wochen Proben mit den Schauspielern zwei Wochen Dreharbeiten, die im Januar 1959 stattfanden. Die Musik steuerte wie schon mehrfach bei Renoir Joseph Kosma bei. Der bei den Dreharbeiten 64-jährige Renoir hatte die Lust am Experimentieren noch nicht verloren. Wie erwähnt, war LE TESTAMENT DU DOCTEUR CORDELIER seine erste Arbeit für das Fernsehen (dem mit seinem letzten Film LE PETIT THÉÂTRE DE JEAN RENOIR noch eine zweite folgen sollte), und er übernahm gleich typische Arbeitsweisen des Mediums, indem er Szenen möglichst kompakt ohne Unterbrechungen drehte und dabei mehrere Kameras verwendete, teilweise bis zu acht.

Dr. Séverin lässt das Verhängnis in seine Praxis
Das große Faszinosum an LE TESTAMENT DU DOCTEUR CORDELIER ist jedoch nicht Renoirs technische Arbeitsweise, sondern das ist Jean-Louis Barrault. Man kann gelegentlich lesen, dass Barrault als Opale kaum geschminkt sei und nur mit Gummibällchen in den Backen und einer zerzausten Frisur sich von Cordelier unterscheide. Nun, das ist etwas übertrieben. Barrault bekam als Opale auch sehr buschige Augenbrauen angeklebt, und die Frisur ist nicht einfach zerzaust, sondern er hat da eindeutig eine Perücke auf, die zu einer Art von spitzem Backenbart verlängert ist. Auch wurden Barrault fast fellartige Haare auf die Hände und Unterarme geklebt. Dazu kam, dass Cordelier die Haare grau gefärbt wurden und er damit älter aussieht als der damals 48-jährige Barrault. Die rein optischen Unterschiede zwischen Cordelier und Opale waren also doch etwas größer, als mancher Bericht glauben machen will. Dennoch ist es richtig, dass sich im Vergleich zu früheren Mr. Hydes wie Fredric March und Spencer Tracy die Maskenbildner bei Barrault ziemlich zurückgehalten haben. Renoir verzichtet auch auf tricktechnische Mätzchen - bei der einzigen Verwandlung, die im Film zu sehen ist, ist Barraults Gesicht abgewandt.

Dr. Séverin haucht sein Leben aus; über den Dächern von Paris ... bekommt man Opale nicht zu fassen
Barrault beweist also sein mimisches Talent, auch indem er Cordelier als stocksteifen Typen präsentiert und damit den Gegensatz zum impulsiven Opale stark betont. Vor allem aber brilliert Barrault mit seiner Körpersprache, mit seinem tänzerischen und pantomimischen Talent, das er schon in seiner berühmtesten Filmrolle in LES ENFANTS DU PARADIS zum Tragen brachte. Während nämlich die meisten Film-Hydes körperlich eher grobschlächtige Typen sind, zeichnet sich Opale durch eine tänzelnde, manchmal fast tänzerische Bewegungsweise aus, und sein Spazierstock dient ihm nicht nur zum Prügeln, sondern auch als spielerisches Utensil wie weiland bei Fred Astaire. Zugleich macht Opale immer wieder unwillkürlich wirkende Bewegungen - "nervöse Zuckungen", wie man so schön sagt. Barrault bringt das Kunststück fertig, seinen Opale gleichermaßen linkisch und elegant wirken zu lassen. Das ist ziemlich grandios, und man muss es gesehen haben, um den richtigen Eindruck zu gewinnen.

Der Gärtner (Gaston Modot), rechts mit seiner Frau
Neben Barrault fallen die anderen Darsteller zwangsweise etwas ab, aber auch Teddy Bilis als der von Unverständnis und Entsetzen über seinen Freund Cordelier gebeutelte Maître Joly und vor allem Michel Vitold als Dr. Séverin machen ihre Sache ausgezeichnet. Der aufbrausende Séverin wirkt immer, als stünde er kurz vor dem Herzinfarkt, und tatsächlich weiß man nicht, woran er eigentlich stirbt. Gut möglich, dass ihn vor Schreck oder Ärger der Schlag trifft, als sich Opale vor ihm in Cordelier verwandelt. Noch ein Darsteller soll hier erwähnt werden, nämlich Gaston Modot. Nach ersten Kurzfilmen 1909 trat er bis 1966 in Hunderten von Filmen auf. In L'ÂGE D'OR von Buñuel und Dalí spielte er die männliche Hauptrolle, und er arbeitete mit vielen der großen französischen Regisseure der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von Gance bis Clair, von Duvivier bis Carné, auch mit Emigranten wie Siodmak, Pabst und Sirk. Unter Renoir hatte er vor CORDELIER schon sechsmal gespielt, am prominentesten in LA RÈGLE DU JEU, wo er den eifersüchtigen Jagdhüter Schumacher gab. LE TESTAMENT DU DOCTEUR CORDELIER war nicht Modots letzter Film, aber doch einer der letzten, und Renoir gönnt ihm in seiner Rolle als Cordeliers alter Gärtner nochmal einige Augenblicke, in denen ihm die Aufmerksamkeit der Zuschauer gehört. Das ist ein bisschen wie bei einem verdienstvollen Fußballer, der in seiner letzten Saison meistens auf der Bank sitzt, aber im letzten Spiel in der letzten Viertelstunde nochmal eingewechselt wird, um sich den verdienten Applaus abzuholen.


Aufgrund seines Themas kann man LE TESTAMENT DU DOCTEUR CORDELIER in das Genre des Horrorfilms einreihen, wenn man mag, aber er ist sicher ein untypischer Vertreter der Gattung. Renoir war alles andere als ein Genre-Regisseur, und er prägte diesem klassischen Horrorstoff von Robert Louis Stevenson seinen ganz eigenen Stempel auf, in dem auch ein gewisser sardonischer Humor nicht fehlt. Nach der Ausstrahlung in Frankreich bekam der Film ziemlich schlechte Kritiken, und auch Barrault wurde mehr gescholten als gelobt. Es fanden sich aber auch glühende Verehrer für CORDELIER und Renoir, und wie üblich gehörten die Jungregisseure der Nouvelle Vague dazu. LE TESTAMENT DU DOCTEUR CORDELIER ist keines von Renoirs Meisterwerken, aber dieses Spätwerk eines großen Regisseurs ist für mich ein sehr erfreulicher Film. Er ist in Deutschland und diversen anderen Ländern auf DVD erschienen.

Die finale Nacht im Labor

Le patron

Samstag, 25. Februar 2017

Ein Franzose in New York

DEUX HOMMES DANS MANHATTAN
Frankreich 1959
Regie: Jean-Pierre Melville
Darsteller: Jean-Pierre Melville (Moreau), Pierre Grasset (Delmas)


Zwei Preisfragen:
1. Wer macht die besten US-amerikanischen Genrefilme?
2. Wo ist die nouvelle vague geboren?



Die Antworten:
1. Natürlich die Franzosen!
2. In New York!


Zu der ersten Preisfrage: Nicht erst seit Luc Bessons Action-Krachern, den TRANSPORTER- und TAKEN-Franchises (wo Besson auch involviert war) ist klar, dass Franzosen ein Faible für amerikanisch gefärbte Genrefilme haben, die US-amerikanischen Vorbildern an Dynamik in Nichts nachstehen müssen. Jean-Paul Belmondo und Alain Delon (mit Regisseuren wie Jacques Deray, Georges Lautner und Henri Verneuil) sorgten in den 1970er und 1980er Jahren für volle Kinosäle mit Cop-, Gangster- und Hitmen-Actionern, die durchaus „amerikanisch“ wirkten (dabei aber genuin französisch blieben). Die nouvelle vague entstand vorher in direkter Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Kino, wie ihn sich die jungen Wilden als Filmkritiker einst vorgestellt haben (wobei Truffaut und Godard die wohl amerikanophilsten der Gruppe waren). Der französische Gangsterfilm der 1950er Jahre war dem US-amerikanischen (noir‘ischen) Gangsterfilm nicht unähnlich. Kein französischer Filmemacher lebte seine Amerikanophilie mit einer dermaßen obsessiven Inbrunst aus wie Jean-Pierre Melville, den seine Biografin Ginette Vincendeau als „Amerikaner in Paris“ bezeichnete.
Seine späten Filme spielen in einem Fantasie-Land, das äußerlich ein bisschen wie Frankreich aussieht, jedoch von Figuren bevölkert wird, die sich wie amerikanische Gangster benehmen, wie diese Trenchcoats und Fedoras tragen, amerikanische Limousinen fahren, meist anglo- oder italoamerikanische Namen haben, amerikanischen Jazz hören. Diese französisch-amerikanische Mischung ist keine wirklich greifbare Figuren-Ort-Konstellation als eher ein Limbo-Zustand zwischen Leben und Tod (letzterem allerdings näher). Vor LE DEUXIÈME SOUFFLE, LE SAMOURAÏ, LE CERCLE ROUGE, UN FLIC (L‘ARMÉE DES OMBRES nimmt eine Sonderstellung ein, weil er – mit Abstrichen – eher in eine gesellschaftlich-historische Realität eingebunden ist), die allesamt extrem bedrückende, hermetische Filme sind, drehte Melville einen verhältnismäßig leichtfüßigen Film mit „echten“ französischen Figuren in einem „echten“ New York, DEUX HOMMES DANS MANHATTAN. Seine Amerikaobsession hat bereits hier schon fast fetischistische Züge, wird allerdings in quicklebendigen location-shots in der US-Metropole ausgelebt...

(ein Hinweis: das Columbia-Logo am Anfang dieses Textes ist das erste Bild von DEUX HOMMES DANS MANHATTAN. Offenbar war tatsächlich die französische Niederlassung von Columbia der Kinoverleiher des unabhängig und rein französisch produzierten Films in Frankreich. Das klingt leider fast schon zu prosaisch: auf den ersten Moment dachte ich, dass Melville das Columbia-Logo geklaut hatte, um seinen Film als echten Amerikaner zu „branden“. Wie großartig wäre das gewesen! In den USA selbst kam der Film übrigens nicht in den regulären Kinoverleih. Die äußerst groben Verstöße gegen den noch geltenden production code – es gibt unter anderem ein offen lesbisches Liebespaar, eine barbusige Frau, die auch noch heimlich fotografiert wird, eine Andeutung von Prostitution zwischen asiatischen Frauen und weißen Freiern – wären, abgesehen von den möglicherweise ausschlaggebenden kommerziellen Erwägungen, sicherlich ein großes Hindernis gewesen).

...was uns zu der zweiten Preisfrage bringt: nach DEUX HOMMES DANS MANHATTAN kann sich das Gefühl einschleichen, die nouvelle vague wäre in New York entstanden. Nicht unbedingt im „echten“ New York, sondern in Melvilles New York.
Melville in New York / Melvilles New York – das geht so: in der Stadt in den späten 1950er Jahren... Auf der UN-Versammlung fehlt der französische Delegierte Fèvre-Berthier und niemand weiß, wo er sich aufhält. Der französische afp-Korrespondent Moreau wird von seinem Chef beauftragt, den Verschwundenen zu finden und daraus vielleicht eine Story zu machen. Moreau zieht mit dem Alkoholiker und sensationsgeilen Fotojournalisten Delmas los und sucht in ganz New York die Liebhaberinnen des vermissten Delegierten auf, um sie nach seinem Verbleib zu befragen. Die beiden finden heraus, dass Fèvre-Berthier eines natürlichen Todes (vermutlich Herzversagen) in der Wohnung einer seiner Liebhaberinnen verstorben ist. Delmas fotografiert den Toten und will für viel Geld die pietätslosen Aufnahmen verkaufen. Daran versucht ihn Moreau zu hindern. Bei einem finalen Streit prügelt Moreau Delmas nieder, ohne an die Aufnahmen kommen zu können. Alleine zurückgelassen versenkt Delmas dann die Filmrollen in den nächsten Abfluss.

Klingt nicht nach viel, selbst für einen Film von 85 Minuten? Das ist es auch nicht, denn die Suche nach dem verschwundenen französischen Diplomaten ist vor allem eins: eine gute Gelegenheit, um durch das nächtliche New York on location zu fahren und dabei ganz tief in ein mythologisiertes Bild der Stadt (und der USA) zu tauchen. So wird DEUX HOMMES DANS MANHATTAN zu einem kleinen Road-Movie durch das New York der späten 1950er Jahre – dem wohl ultimativen Sehnsuchtsort eines jeden Amerikanophilen.

Im Vorspann: nachts mit dem Auto durch die Stadt / UN-Hauptquartier
Straßenimpressionen in der Weihnachtszeit / Ein Panorama in der Dämmerung
Auch später im Film: immer wieder "autonome" New Yorker Impressionen

Es gibt in DEUX HOMMES DANS MANHATTAN drei verschiedene New Yorks, die zusammen eine Einheit bilden. Es gibt das „echte“ New York, das aus einer rein „dokumentarischen“ Perspektive gefilmt ist, oder vielleicht besser gesagt: in dem weder dramaturgisch Relevantes noch die Hauptfiguren zu sehen sind. Es gibt das „echte“ New York aus der Perspektive der Hauptfiguren: Moreau und Delmas laufen durch die Straßen der Stadt. Und es gibt das „falsche“ bzw. eher das „imaginierte“ New York – das sind die Innenaufnahmen, gefilmt in einem französischen Filmstudio, in denen die Fantasien eines New Yorks der Nachtclubs, der Jazz-Aufnahmestudios, der Edelbordelle, der Manhattaner Hochhauswohnungen, der Eck-Bistros und der Afterhours-Jazzclubs inszeniert wurden.
Drei Wochen Ende des Jahres 1958 (Weihnachtsdekorationen sind prominent zu sehen) drehte Melville mit einer winzigen Crew und seinem Schauspielpartner Pierre Grasset in den Straßen der Stadt. Das ganze verlief eher turbulent, da es keine Drehgenehmigung gab, und es wurde viel improvisiert. Beim Dreh der „dokumentarischen“ Szenen wirkte der Regisseur und Hauptdarsteller an vordester Front dabei. Für DEUX HOMMES DANS MANHATTAN reiste Melville zum ersten Mal in die USA, hatte sich zuvor aber gründlich vorbereitet, indem er detaillierte Straßenpläne der Stadt auswendig gelernt und ausführlich Literatur zu den einzelnen Bezirken studiert hatte. So konnte er sich relativ sicher und schnell durch die Metropole bewegen. Alle Innenszenen wurden danach im Februar 1959 in den studios de Billancourt bei Paris gedreht.
Die Übergänge zwischen den „realen“ und den „nachgedrehten“ New Yorks sind fließend, aber es gibt doch eine gewisse Entwicklung. Das „rein“ dokumentarische New York, das in den ersten 15-20 Minuten dominiert, macht nach und nach Platz für das New York aus der Perspektive der Hauptfiguren und das Fantasie-New-York nimmt in der zweiten Hälfte zunehmend mehr Raum ein.
Dies ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass sich DEUX HOMMES DANS MANHATTAN letztlich doch den Zwängen des klassischen narrativen Kinos beugt. Melville konnte eben keinen Film machen, in dem in abendfüllender Laufzeit einfach nur die Stadt gezeigt wird – und wollte das wohl auch nicht. Ohne Zweifel war Melville von der Stadt völlig fasziniert: wie Bilder, die normalerweise nur kurz gezeigt werden, um die Geschichte in einem kurzen Augenblick geografisch zu verorten, in die Länge gedehnt werden, das offenbart einen fast fetischistischen Blick auf die Stadt. Doch ebenso sehr interessierte sich Melville für die Mythologie der Stadt – gewissermaßen für persönliche Bilder, die mit dem Realen nicht zwangsläufig zusammenhängen müssen. Das mythologische Amerika, mehr als das reale Amerika, ist schließlich das, was ihn in seinen letzten Filmen angezogen hat.

(Hier eine interessante kontrafaktische Gedankenspielerei: was, wenn Melville tatsächlich in die USA gegangen wäre, um in oder um Hollywood als semi- oder komplett unabhängiger Autor-Produzent-Regisseur seine Filme zu drehen? Das wären bestimmt tolle Filme geworden! Michael Winners THE MECHANIC und DEATH WISH geben meiner Meinung nach eine Vorstellung davon, wie das ungefähr wohl ausgesehen hätte).

Die „rein dokumentarischen“ Szenen ergeben zusammen etwas, was man wohl als New Yorker Stadtsinfonie à la Melville bezeichnen kann. Die opening credits sind aus der Rückscheibe eines fahrenden Autos in den nächtlichen New Yorker Straßen gefilmt: eine Fahrt durch eine glitzenrnde Welt voller Neonleuchten und mit einem tiefschwarzen Himmel. Danach folgen, zusammen mit dem einleitenden Voice-Over (gesprochen von Melville selbst), einige Außenaufnahmen bei Dämmerung des UN-Hauptquartiers (der im selben Jahr in Hitchcocks NORTH BY NORTHWEST ebenfalls prominent zu sehen war). Nach einigen Bildern mit Stock-Footage zur UN-Versammlung kehrt der Film dann wieder auf die Straßen in der Dämmerung zurück, und zeigt Schlittschuhläufer auf einer open-air-Bahn und Soldaten der Heilsarmee bei einer Weihnachtsaktion.

Melvilles "lange Wege"
Erst dann kommen wir ins Büro der AFP und zur Figur Moreaus. Bis dieser zu Delmas gelangt, der ein Auto hat, folgen wir ihm, wie er zu Fuß oder mit der U-Bahn seine Wege geht. Das nimmt einige Zeit in Anspruch und bietet nicht nur mehr New York, sondern auch ein Wiedererkennungszeichen Melvilles: sein großes Interesse daran, Leute bei der Fortbewegung von A nach B zu zeigen, über weite Strecken in Echtzeit, auf jeden Fall immer viel länger als dramaturgisch bzw. expositorisch notwendig. Figuren, die durch die Straßen laufen, oder aber in ihren schicken amerikanischen Limousinen durch die Gegend fahren: Melvilles letzte Filme sind gewissermaßen immer auch Reisen vom letzten Coup (bzw. dem letzten Widerstandsakt) in den Tod, und Figuren auf dem Weg zu zeigen, ist da nur konsequent. In DEUX HOMMES DANS MANHATTAN hat dieses Herumlaufen und Herumfahren allerdings noch eine gewisse Leichtigkeit, eine nouvelle-vague-artige Nonchalance. Improvisiert und manchmal (absichtlich?) etwas unsauber geschnitten wirkt das ganze: an mindestens zwei Stellen sieht man eindeutig, dass Melville (der Schauspieler) steht und erst anfängt loszulaufen, als die Kamera startet.
Es gibt von den „langen Wegen“ auch eine kleine Variation, als Moreau und Delmas zusammen in einen Fahrstuhl steigen und bis zum achten Stock fahren. Von der Erzählökonomie her wäre es sinnvoll zu zeigen, wie beide in den Fahrstuhl steigen, dann ein Schnitt, dann steigen sie in einem anderen Dekor aus dem Fahrstuhl aus. Hier wird die ganze Fahrt gezeigt: beide stehen starren etwas gelangweilt vor sich hin, zwischendurch nimmt Delmas einen Schluck aus seinem Flachmann, Zeit verstreicht, die beiden stehen weiter herum.

(Dass die Vorliebe für ereignislose „lange Fahrten“ und endlose Fortbewegungen noch wesentlich radikaler sein kann, demonstriert seit über zwei Jahrzehnten der große Melville-Fan Jim Jarmusch – in keinem Film so drastisch wie in THE LIMITS OF CONTROL, der fast nur einer endlosen Fortbewegung gewidmet ist, die nur unterbrochen wird, wenn die Figur stehen bleibt und auf etwas wartet.)

Die Übergänge zwischen den „reinen“ New-York-Bildern, den New-York-Bildern aus der Perspektive der Protagonisten, und dem „imaginierten“ New York sind fließend. Zwei Momente stechen dabei besonders hervor, weil sie in nur einem Bild Moreau, Delmas und die Stadt in einem ikonischen, extrem stilisierten Bild zusammen vereinen. Kurz, bevor die beiden zusammen ein Edelbordell aufsuchen, um dort nach dem verschwundenen Diplomaten nachzufragen, gehen sie durch eine belebte Straße, die offenbar eine kleine Kinomeile ist. Vor dem Eingang eines Kinos bleiben sie stehen und tauschen noch ein paar Bonmots über Prostitution aus – im Hintergrund der belebte Gehweg, Neon-Reklamen und ein Kino-Marquee, der anzeigt, dass hier gerade SEPARATE TABLES gespielt wird.
Später, in der Wohnung der Freundin Fèvre-Berthiers, wo sie den Leichnam des Diplomaten finden, steigen Moreau und Delmas auf das Dach und haben da ein Streitgespräch über Delmas‘ pietätslose Aufnahmen. Dieser Moment dampft noch mal den ganzen Film auf ein ikonisches Bild zusammen: zwei Männer und die Skyline von Manhattan. Letztere ist wahrscheinlich eine Rückprojektion, das Bild ist also nicht im engeren Sinne „authentisch“. Aber das macht nichts: nicht nur, weil es verdammt gut aussieht, sondern weil in DEUX HOMMES DANS MANHATTAN das „imaginierte“ New York gleichwertig ist mit dem „echten“.

Die zwei Protagonisten und die Stadt

Die erste, lange „imaginierte“ New-York-Sequenz im Film spielt auch intradiegetisch in einem Studio, nämlich in einer Tonkabine des Jazz-Labels Capitol Records. Eine der Liebhaberinnen von Fèvre-Berthier ist Jazz-Sängerin; Moreau und Delmas besuchen sie während einer Aufnahmesession. Sie haben es zwar eilig, können aber schlecht die Aufnahme unterbrechen, also schauen sie durch eines der Fenster und hören zu – mit sichtlich viel Genuss. Die ganze Szene mit der ununterbrochenen Musikummer ist in einer eleganten Plansequenz so gefilmt, dass sie auch für den Zuschauer ein wahrer Genuss ist. Mit nur einem Kameraschwenk weckt hier DEUX HOMMES DANS MANHATTAN ein Universum an Assoziationen an New York als die ultimative Stadt des Jazz (New Orleans hin und her: die Ostküsten-Metropole ist das Wahrzeichen des Jazz seit den 1920er Jahren).
Am Ende des Films, kurz vor der Dämmerung, finden Moreau und Fèvre-Berthiers Tochter den geflüchteten Delmas in einer Kneipe, in der einige Jazzmusiker noch eine Afterhours-Jamsession halten. Delmas sieht sie nur verschwommen und in schräger Perspektive. Die Combo darf wesentlich länger spielen, als es die Erzählökonomie verlangt. Warum nicht? Es ist schließlich ein Film über die Mythologie einer Stadt – und am frühen Morgen halbbetrunken in einer Jazzkneipe zu sitzen gehört bestimmt dazu. Ganz dramaturgisch irrelevant sind die drei Musiker dann doch nicht: sie sind Beobachter der letzten Auseinandersetzung zwischen Moreau und Delmas. Nachdem Delmas niedergeschlagen wird und zunächst einmal benebelt auf dem Boden sitzt, kommt der Trompeter auf ihn zu und spielt dann in seine Richtung. Ist es Spott für den Verlierer des Faustkampfes? Ich halte es eher für den Versuch eines Trostes. Wem es in New York schlecht geht, dem wird eine Jazz-Ballade zumindest ein wenig den Schmerz lindern. Das ist hoffnungsvoller als in Melvilles letzten Filmen, wo die melancholischen Jazz-Klänge den bedrückenden Fatalismus eher noch unterstreichen.

New York, die große Jazz-Metropole (1): zu Besuch bei Capitol Records

New York, die große Jazz-Metropole (2): besoffen – und schließlich verprügelt – bei einer Afterhours-Jamsession

Das Lokal am Ende heißt übrigens „Pike Slip Inn“. Eine grobe google-Recherche ergibt keine weiterführenden Treffer. Wurde der Name speziell für diesen Film erfunden? Schwer zu sagen. In Nähe der Manhattan Bridge gibt es jedenfalls eine kleine Straße namens „Pike Slip“ (eine Verlängerung der Pike Street). Dass es dort ein Inn gibt bzw. gab, ist nicht unwahrscheinlich. 1971 gab es das jedenfalls noch (oder vielleicht auch: wieder?): in einem Nebensatz in einem anderen großen New-York-Film, nämlich William Friedkins THE FRENCH CONNECTION, erwähnt eine Figur den Pike Slip Inn. Das geschieht wirklich nur in einem Nebensatz und ist mir nur aufgefallen, weil ich ihn kürzlich mit DEUX HOMMES DANS MANHATTAN im Hinterkopf sah.
In THE FRENCH CONNECTION holt Russo (Roy Scheider) am Anfang eines Dienstbeginns seinen Kollegen Doyle (Gene Hackman) in dessen Wohnung ab. Doyle ist schwer verkatert und nach einer Nacht mit einer Gelegenheitsbekanntschaft wortwörtlich ans Bett gefesselt. Russo nimmt das ganze relativ nonchalant hin. Eine ähnliche Szene gibt es zu Beginn von DEUX HOMMES DANS MANHATTAN, als Moreau Delmas in dessen Wohnung abholt (auch er liegt mit einer Gelegenheitsbekanntschaft im Bett). Die Kamerafahrten durch die unordentlich in der Wohnung verteilten Kleidungsstücke sind in beiden Filmen frappierend ähnlich. Vielleicht ist das aber auch nur ein Zufall, auch wenn Friedkin zu den vielen bekennenden Melville-Liebhabern unter den international bekannten Regisseuren gehört.

Wir waren aber eigentlich bei Melvilles „imaginiertem“ New York stehen geblieben. Die allererste solche Sequenz spielt im Mercury Theatre (wo eine der Liebhaberinnen Fèvre-Berthiers schauspielert) – also beim unabhängigen New Yorker Theater, das Orson Welles und John Houseman Ende der 1930er Jahre gründeten. Diese Sequenz ist allerdings recht schnell abgehakt (nicht zuletzt aufgrund der mangelnden Antwortbereitschaft der aufgesuchten Dame) und meiner Meinung nach nicht besonders erinnerungswürdig.
Erinnerungswürdiger ist später der Besuch Moreaus und Delmas‘ in einem Burlesk-Theater in Brooklyn (der Film spielt also nicht komplett in Manhattan): ein schummeriger Nachtclub, besucht und wahrscheinlich auch betrieben von zwielichtigen Gestalten, in das garantiert nicht eine Spur von Tageslicht je eindringt, in dem die Besucher etwas zombiehaft bei einem Drink den dargebotenen Tanzspektakeln zusehen (am Ende erwachen zumindest zwei der Besucher und prügeln sich, nachdem Moreau und Delmas das Lokal schon verlassen haben) – die Sorte Nachtclub, die es später in LE DOULOS oder LE CERCLE ROUGE noch wesentlich ausführlicher zu sehen gab, in einem Setting, das nominell Frankreich war.

New York, das ist jetzt bisher klar geworden, ist für Melville eine unglaublich großartige Stadt, die er mit seinen großen, melancholischen Augen gierig verschlingt. Die Menschen, die diese Stadt und ihre Mythologie bevölkern, tauchen nur relativ sporadisch, ziemlich kurz und am Rand auf. An einer Stelle entfernt sich Melville von seinen beiden Protagonisten. In einem Eck-Bistro, wo beide einen Club-Soda trinken (Delmas kippt sich einen großzügigen Schluck aus seinem Flachmann rein), schweift der Film kurz ab. Auf einem der Barhocker sitzt ein großer, starker Mann, der überaus sichtbar einen Pistolengurt um die Hüfte trägt. Auf einem anderen Barhocker schwankt ein schwer betrunkener Mann, der offenbar noch nicht einmal mehr richtig sitzen kann. Auf einem anderen hat sich ein älterer Herr, der wohl ein Rabbiner ist, niedergelassen und verspeist gerade ein Essen. Dann steht der Bewaffnete auf und zieht seinen Mantel an: eine Polizeiuniform. Etwa zeitgleich torkelt der Betrunkene los. Man erwartet, dass der Polizist ihn gleich mehr oder weniger rüde maßregeln wird – doch es kommt ganz anders: der Beamte hindert den Mann lediglich daran zu stolpern, weist ihm sanft den Weg aus der Tür und gibt freundlich den Rat, Acht zu geben. Keine Spur von den skrupellosen, brutalen, teils grausamen Polizisten in Melvilles späten Filmen (etwa in LE DEUXIÈME SOUFFLE, wo die Gesetzeshüter die Gangster sogar foltern). An einer anderen Stelle fragen die beiden Protagonisten auf der Straße einen anderen Streifenpolizisten nach dem Weg, den diese dann höflich und freundlich gewiesen bekommen. New York ist in DEUX HOMMES DANS MANHATTAN so toll, dass hier auch die Polizisten dufte Kerle sind.

DEUX HOMMES DANS MANHATTAN ist trotz der umgekehrten Personen-Ort-Konstellation („echtes“ Amerika mit „echten“ Franzosen statt „amerikanisiertes“ Frankreich mit „amerikanisch“-französischen Gangstern) durch und durch ein Melville-Film. Gerade auch in den Unterschieden findet man paradoxerweise Gemeinsamkeiten mit dem restlichen Werk: die kriminelle Unterwelt bzw. Parallelwelt und der Zweite Weltkrieg, Melvilles zwei Ur-Themen, sind auch hier mindestens implizit präsent.
Als Moreau und Delmas den verschwundenen französischen Delegierten in der Wohnung einer seiner Liebhaberinnen finden (sie wissen gleichwohl vorher, dass der Leichnam dort ist), sitzt er – offenbar starb er auf den Schlag – auf dem Wohnzimmersofa. Von dort transportiert ihn Delmas ins Schlafzimmer und drapiert ihn ins Bett seiner Geliebten, damit das anrüchiger aussieht und sich die Fotos teurer verkaufen. Delmas empört sich, tut aber nicht groß etwas dagegen und ruft seinen Chef herbei, um die delikate Situation zu bewältigen. Dieser kommt vorbei und erklärt den beiden zunächst, wer Fèvre-Berthier wirklich war: nicht nur ein renommierter Diplomat, sondern ein französischer Nationalheld, ein Résistant der ersten Stunde, der ohne zu zögern Leib und Leben im Kampf gegen die Nazis riskierte und dies mit Folterungen durch die Gestapo und einen längeren Aufenthalt im Konzentrationslager bezahlte. Es käme also gar nicht in Frage, dass Fèvre-Berthier in der Wohnung seiner Liebhaberin gefunden werde: deshalb wird der Leichnam, nachdem er bereits vom Schlafzimmer zurück auf das Sofa gebracht wurde, nun aus der Wohnung in ein leerstehendes Auto auf der Straße gebracht.
Der Zweite Weltkrieg, die Besatzung Frankreich, der Kampf gegen die Nazis – diese wiederkehrenden Themen verarbeitete der ehemalige Résistant und gebürtige Jean-Pierre Grumbach (Melville war sein amerikanophiler Deckname während des Kriegs) zentral in mehreren seiner Filme, im ersten abendfüllenden Werk LE SILENCE DE LA MER, in LÉON MORIN, PRÊTRE und in seinem magnum opus L‘ARMÉE DES OMBRES. In DEUX HOMMES DANS MANHATTAN, wo man diese Thematik am wenigsten erwarten würde, bringt Melville sie in der dialoggetriebensten Szene. Diese wirkt auf den ersten Blick deplatziert: DEUX HOMMES DANS MANHATTAN ist für Melvilles Verhältnisse ein recht „geschwätziger“ Film. Die Erklärungen des New Yorker afp-Chefs stoppen den Film jedoch für einige Minuten komplett. In Kenntnis von Melvilles restlichem Werk wirkt das aber geradezu zwingend: sein „amerikanischer Traum“ kann nicht unabhängig von der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg existieren.

Wie die Erklärungen des afp-Chefs ohne Kontext etwas verwirrend wirken, so würden die Bilder in diesen Momenten des Films ohne narrativen Kontext aussehen, als entstammten sie einem knüppelharten Gangsterfilm, einem pechschwarzen noir, oder eben einem späteren Melville-Film: Delmas, Moreau und der afp-Chef transportieren mehrmals einen Leichnam hin und her, und die Bilder sehen (rein visuell) so aus, als würde hier eine Bande von Gangstern die Leiche ihres Mordopfers zu beseitigen versuchen. Das könnte man leicht übersehen, weil der Film über weite Strecken ohnehin extrem low-key, mit vielen Schatten und viel dunklem Schwarz, fotografiert ist.
Die lange Rede über die Résistance-Vergangenheit Fèvre-Berthiers dient dem apf-Chef und Moreau letztlich auch als Rechtfertigung, um den Leichnam hinauszuschaffen und in einem verlassenen Auto zu deponieren. Man könnte die beiden also durchaus der Doppelmoral anklagen: Fèvre-Berthier auf dem Bett seiner Liebhaberin zu drapieren, sei unmoralisch – ihn aus der Wohnung rauszuschaffen hingegen moralisch richtig? Letzterem stimmt schließlich Fèvre-Berthiers Tochter zu, zugegebenermaßen aus Rücksicht auf ihre Mutter bzw. Fèvre-Berthiers Ehefrau, die wohl nichts von den Affären ihres Mannes wußte.
Diese moralische Zwickmühle thematisiert der Film jedenfalls nicht explizit, sondern überlässt die Bewertung voll und ganz dem Zuschauer. Als Delmas am Ende seine Filmrollen wegwirft, beginnt er zu lachen. Delmas, der schmierige Alkoholiker, der sensationslüsterne Käseblatt-Fotograf – ein moralischer Sieger in der Geschichte? Schwer zu sagen. Der moralische Konflikt ist aber natürlich auch banal im Vergleich zu dem, was Melville später in L‘ARMÉE DES OMBRES auffuhr.

Gangster-Ikonographie ohne Gangster

Zum Schluss noch einige Bemerkungen zu Jean-Pierre Melville als Schauspieler. Immer wieder finden sich Anmerkungen, die sein Schauspiel als hölzern und erkennbar nicht-professionell kritisieren. Dem kann ich mich nicht anschließen. Melville hat ein natürliches Charisma, zwei große melancholische Augen, ein außergewöhnliches und markantes Gesicht und eine wunderschöne Stimme. Wer ihm vorwirft, radebrechendes Englisch mit schwerem Akzent zu sprechen (die Kommunikation zwischen dem Protagonisten-Duo und den New Yorker Bewohnern läuft komplett auf Englisch), ist kleinlich – zumal seine Figur eben ein Franzose in New York ist. Dass er sich zwischendurch beim Englischen leicht verhaspelt, gibt dem Ganzen gar eine unglaublich lebensnahe Note. Am ehesten könnte man Melville vorwerfen, dass er überhaupt nicht schauspielert, sondern tatsächlich nur Melville ist und das Selbstdarstellerische, den er in seinem Kurzauftritt in À BOUT DE SOUFFLE oder etwa bei Fernsehinterviews (mit Fliegersonnenbrille und Cowboy-Hut ausstaffiert; manieriert, langsam und mit dramatischen Pausen sprechend) gerne mal an den Tag legte und das zugegeben sehr unterhaltsam war, hier völlig fehlt. Die nüchterne Moreau-Figur tut dem Film ganz gut, da Delmas schon „dramatisch“ genug ist – und es ja in erster Linie um New York geht.

Wo ich wiederum Melville widersprechen werde, ist die Bewertung des Films, den der Regisseur selbst als „unwichtig“ und misslungen ansah. Wo kämen wir aber hin, wenn wir auf die Selbstkritik von Regisseuren hören würden? DEUX HOMMES DANS MANHATTAN jedenfalls war ein Kinoflop in Frankreich: offenbar wollte niemand in Frankreich einen „New Yorker“ Film ohne Stars sehen. Es wurde der letzte Film, den Melville ohne Stars als Hauptdarsteller drehte.


DEUX HOMMES DANS MANHATTAN ist auf DVD in Frankreich bei „Gaumont à la demande“ erschienen. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich „on demand“-DVDs sind, weil ich auf diese Edition gebraucht und als Gelegenheitsschnäppchen gestoßen bin. Die Edition ist auf jedenfalls in einer dieser sehr dünnen DVD-Hüllen, in einer recht schnörkellosen, wenngleich nicht völlig billigen Aufmachung. Eine Texttafel der DVD warnt, dass der Film nicht digital restauriert wurde. Dafür ist die Bild-/Tonqualität aber trotzdem recht gut. Untertitel gibt es allerdings nur auf Französisch. Von „Gaumont à la demande“ gibt es den Film auch in einer Box zusammen mit LE SILENCE DE LA MER und dem mir bislang völlig unbekannten QUAND TU LIRAS CETTE LETTRE (von 1953). In Frankreich ist DEUX HOMMES DANS MANHATTAN auch auf blu-ray erschienen. Es gibt auch eine italienische DVD-Edition (der Film heißt dort übersetzt „Die Hyänen der vierten Macht“). In den USA gibt es den Film auch auf DVD und blu-ray.