(Das Glas Wasser, Deutschland 1960)
Regie: Helmut Käutner
Darsteller: Gustaf Gründgens, Liselotte Pulver, Hilde Krahl, Sabine Sinjen, Horst Janson, Rudolf Forster, u.a.
Ob man nun Klaus Manns 1936 erschienenen Roman “Mephisto” gelesen hat oder nicht: Gustaf Gründgens wird wohl für immer die zweifelhaft schillernde Gestalt bleiben, die um ihrer Karriere willen in einem schicksalsträchtigen Jahrhundert jeweils unverbindlich mit der Bewegung liebäugelte, von der sie glaubte, ihr gehöre die Zukunft - und die sich dann doch an den Beelezebub verkaufen musste, um nicht ganz in die Klauen des Teufels zu geraten. Was er als Intendant des Preussischen Staatstheaters, der vom Teufel dann doch zu Rollen in Propagandafilmen (“Ohm Krüger”, 1941) beordert wurde, heimlich an Menschlichem vollbracht haben mag - wir wissen es nicht. Denn das Deutschland der Nachkriegsjahre verzieh und vergass. - Ich kann als ehemaliger Germanist und Filmfreund die recht wenigen Filme des Schauspielers nicht ohne “Hintergedanken” geniessen: Hinter dem Schränker in Fritz Langs “M - Eine Stadt sucht einen Mörder” (1931) verbirgt sich für mich der Salonkommunist, der abends in den Kabaretts seine schlüpfrigen Chansons zum Besten gab, sein “Friedemann Bach” (1941) ist der - vergebliche - Versuch, schlimmeren Filmproduktionen zu entkommen. Vor allem aber muss ich ständig daran denken, dass Klaus Mann seinem Hendrik Höfgen nur in beschränktem Masse schauspielerische Fähigkeiten zugestand: Er sei der Mephisto gewesen, daneben habe er sich als Causeur in französischen Komödien glänzend gemacht; gerade “teutonische” Rolleninterpretationen (etwa sein Hamlet, den der wirkliche Gründgens ja 1959 tatsächlich an den jungen Maximilian Schell abgab) seien jedoch nicht sein Ding gewesen.
Helmut Käutner, einer der wenigen bereits im Dritten Reich tätigen Regisseure, die ohne dunkle Flecken wegkamen (selbst der grosse Wolfgang Staudte hatte - sicher nicht freiwillig - in Harlans “Jud Süss", 1940, mitgespielt), inszenierte “Das Glas Wasser” wesentlich süffiger, unbeschwerter als etwa Kurt Hoffmann seine biederen Musicals (“Feuerwerk”, 1954, “Das Wirtshaus im Spessart”, 1957). Die herrlich vorgetragenen Chansons (“Es muss an Arthur selber liegen”, “Schöne Queen, arme Queen”, “Ich wäre gerne ehrlich”, “Das Sprichwort sagt, wer wagt, gewinnt”) haben etwas regelrecht Frivoles, sind tendenziell eher spitz als süsslich - und nehmen, wenn auch bloss dezent, Bezug auf die 60er Jahre. - Der bislang leider nicht auf DVD erschienene Film ist ein Genuss, der den Zuschauer beinahe vergessen lässt, dass er es hier nicht bloss - immanent - mit einem höchst gelungenen komödiantischen Streich zu tun hat, sondern - problemgeschichtlich - auch mit dem wohl eigenartigsten Aufeinandertreffen zweier Generationen in der Geschichte des deutschen Films. Ähnliches war zwar früher schon vorgekommen; aber hier trafen der zwielichtige Gründgens und Hilde Krahl, die ihre Karriere als Dunja im Film “Der Postmeister” (1940) richtig begründet hatte, auf Schauspieler wie Sabine Sinjen und Horst Janson. Man müsste aus heutiger Sicht annehmen, dieses Treffen sei nicht ohne Fragen (“wie war es damals wirklich?”) abgegangen. Dabei vergisst man jedoch leicht, dass man beim Film einfach für kurze Zeit zusammen arbeitet - und man vergisst vor allem jenen ungeschriebenen Generationenvertrag, der erst von den 68ern durchbrochen wurde. Ein für den heutigen Zuschauer beinahe makabres Aufeinandertreffen, wie es in dieser Form später gar nicht wieder vorkommen konnte: Gustaf Gründgens starb 1963 in Manila an einer Überdosis Schlaftabletten; ihm blieb wie Rühmann das Schicksal eines senil vor sich hin schwärmenden Johannes Heesters erspart. Und vielleicht sollte man ihn einfach mit jenem Ausruf ziehen lassen, den Klaus Mann seinem Hendrik Höfgen - zwar im spöttischen Sinn - in den Mund legte: “Ich bin doch nur ein Schauspieler!”